Die teuerste Eisenbahn der Welt: Von
Shanghai nach Chongqing – Und wo sitzen die klügsten Kinder?
Larry Romanoff, 11. Dezember 2019
Aus dem Englischen: Einar Schlereth
Die Arbeiten an der Yiwan
Railway in China, einer Trasse parallel zum See aus dem
Drei-Schluchten-Staudamm, einer 380 Kilometer langen Ost-West-Linie, die durch
wunderschönes, aber schwieriges gebirgiges Gelände von Wuhan, der Hauptstadt
der Provinz Hubei, und Yichang (dem Standort des Drei-Schluchten-Staudamms) bis
nach Wanzhou City, östlich von Chongqing, führt, wurden 2010 abgeschlossen.
Sie wurde ursprünglich 1903 von Sun Yat-Sen vorgeschlagen, um die
Bahnreise zwischen den Bergregionen im Südwesten und Osten Chinas zu verkürzen.
Das Projekt begann zunächst 1909, wurde aber aufgrund des schwierigen
natürlichen Geländes und der unüberwindbaren technologischen Probleme
wiederholt aufgegeben, bis die Zentralregierung 2003 beschloss, es erneut
anzupacken.
Diese Eisenbahn ist Teil eines der wichtigsten nationalen Verkehrskorridore Chinas.
Das Projekt hat seine Hauptziele, die Erhöhung der Korridorkapazität, den Abbau
von Verkehrsbarrieren und die Senkung der Transportkosten, erreicht und bereits
erheblich zum Wirtschaftswachstum und zur Armutsbekämpfung im Projektgebiet und
möglicherweise zum Nutzen des gesamten westlichen Gebiets beigetragen.
Chinas Tunnel- und Brückenmuseum
Diese Eisenbahnlinie durch einen Bergabschnitt am Rande des
Yunnan-Guizhou-Plateaus war die schwierigste und teuerste in China. Sie
erforderte sieben Jahre und 50.000 Arbeiter, um 159 Tunnel zu graben und zu
bohren und 253 Brücken zu bauen. In einem Extremfall dauerte es fast sechs
Jahre, bis ein Tunnel durch den Qiyue Berg entlang der Strecke gebohrt wurde.
Von der Gesamtlänge der Eisenbahn von 380 Kilometern bestehen 75% oder 280
Kilometer aus Brücken und Tunneln. Jeder einzelne Kilometer der Eisenbahn
enthält mindestens eine Brücke oder einen Tunnel, meist einen von ihnen, so
dass die Einheimischen die Eisenbahn als “Tunnel- und Brückenmuseum”
bezeichnen.
60 Millionen RMB pro Kilometer
Die Eisenbahn durchquert eines der schwierigsten Gebiete des Landes,
wobei viele Abschnitte durch die Karst-Topographie führen, und der
Chefkonstrukteur der Eisenbahn behauptet, dies sei das härteste Projekt
gewesen, an dem er je gearbeitet habe. Die Strecke erforderte mehr als 20
Milliarden RMB Investitionen, etwa 60 Millionen pro Kilometer, und ist Chinas
teuerste Eisenbahn, die doppelt so viel kostete wie die zweitteuerste mit 30
Millionen RMB pro Kilometer für die Qinghai-Tibet-Bahn.
Es ist ein etwas enttäuschende Ironie, dass diese Eisenbahn so viel
Bau-Zeit brauchte, dass die Eisenbahntechnik sie bei ihrem eigenen Bau
überholte. Die Yichang-Wanzhou-Eisenbahn wurde für Züge mit einer
Geschwindigkeit von etwa 200 km/h konzipiert, die zu Beginn des Baus die
schnellsten waren, aber bis zum Abschluss des Baus zwei Generationen
zurückblieben. Angesichts der Schwierigkeiten beim Bau ist in China
wahrscheinlich niemand daran interessiert, diese Strecke in naher Zukunft zu
modernisieren.
Diese Eisenbahn verkürzte die Reisezeit von Yichang-Wanzhou von 22
Stunden auf nur noch fünf Stunden, und auch die Reisezeit von anderen mittel-
oder ostchinesischen Städten in den Südwesten des Landes ist nun deutlich
kürzer, was den Bewohnern, die in den steilen und abgelegenen Wuling-Bergen
leben, neue Möglichkeiten eröffnete. Ein Anwohner sagte: “Früher haben wir 100
Yuan (15 US-Dollar) für eine eintägige Busreise nach Yichang bezahlt. Jetzt
können uns 30 Yuan in zwei Stunden dorthin bringen.”
Infrastruktur und Privatisierung
China hat stark in Eisenbahnen in abgelegenen Gebieten wie den Drei
Schluchten, Qinghai, Xinjiang und Tibet investiert, um die Länge und Breite des
Landes durch ein bequemes und schnelles Transport – Mittel zu verbinden. Chinesische
Führer erkannten von Anfang an, dass Verkehsverbindungen wirtschaftliche
Entwicklung fördern; deshalb behielen sie die Kontrolle über die
Verkehrsinfrastruktur, was Vorteile der Entwicklung auf die gesamte Nation bot.
Die Realität ist, dass nicht alle Teile der Infrastruktur finanziell
profitabel sind – und Rentabilität ist für West-Standards der einzige Maßstab.
Ein privat entwickeltes Eisenbahnsystem würde nur auf den profitabelsten
Strecken gebaut, die wahrscheinlich Milliarden für ihre Besitzer einbringen,
aber das würde vielleicht die Hälfte der Nation ohne Transportmittel
zurücklassen und zu ewiger Armut verurteilen. Eine Privatisierung der Eisenbahn
würde die chinesische Zentralregierung mit den Kosten für den Bau aller
unrentablen Strecken belasten, ohne von den profitablen Segmenten zu
profitieren. Für den westlichen Kapitalismus ist das wichtigste Mantra:
Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste.
Es war das gleiche mit dem mobilen Kommunikations-Netz. Man erkannte das
Entwicklungspotential durch eine schnelle und billige Kommunikation, weshalb
die Chinas Zentralregierung entschied, dass die gesamte Bevölkerung
gleichermaßen pofitieren soll oder zumindest mehr gleiche Gelegenheiten zu
profitieren bekommt. Somit wurde das ganze Land verdrahtet, auch die Wüsten und
die am weitesten abgelegenen Gebirgsgegenden (wie etwa Wuling) mit sehr dünner
Bevölkerung und keiner realistischen Hiffnung auf Profitabilität. Aber mit
Chinas universalen mobilen Telefonsystem konnten Bauern in den enferntesten
Gebirgsdörfern täglich im Internet sein und bessere Landwirtschaftsmethoden
erlernen, konnten Preise vergleichen und aushandeln, um Verkäufe zu tätigen.
Und mit dieser neuen Eisenbahn durch eine der formidabelsten Barrieren können
die Bauern und die Geschäftsleute (die von privaten Unternehmen ignoriert
worden wären) nicht nur leicht den Verkauf ihrer Waren liefern, sondern auch
mühelos sich zwischen regionalen Bevölkerungszentren bewegen, was ein enormen
Zuwachs an Tourismus und allen anderen Handel förderte, wovon die ganze Region
profitierte.
*
Artikel von Larry Romanoff (龙信明)
Larry Romanoffs Texte wurden in 30 Sprachen übersetzt und seine Artikel wurden auf
über 150 fremdsprachigen Nachrichten- und Politik-Websites in mehr als 30
Ländern sowie auf mehr als 100 englischsprachigen Plattformen veröffentlicht.
Larry Romanoff ist ein pensionierter Unternehmensberater und Geschäftsmann. Er
hatte leitende Positionen in internationalen Beratungsunternehmen inne und
besaß ein internationales Import-Export-Geschäft. Er war Gastprofessor an der
Fudan Universität in Shanghai, wo er Fallstudien zu internationalen
Angelegenheiten für EMBA-Klassen präsentierte. Larry Romanoff lebt in Shanghai
und schreibt derzeit an einer Reihe von zehn Büchern, die sich allgemein mit
China und dem Westen befassen. Er ist einer der beitragenden Autoren zu Cynthia
McKinneys neuer Anthologie ‘When China Sneezes’.
Sein gesamtes Archiv kann eingesehen werden
unter: https://www.moonofshanghai.com/ und http://www.bluemoonofshanghai.com/
Er kann kontaktiert werden unter: 2186604556@qq.com